Alt Madlitz und Ziebingen
Die Reichsgrafen Finck von Finckenstein, die aus Ostpreußen stammten, am preußischen Königshof in hohen Staatsämtern saßen und seit 1751 auch in der östlichen Mark begütert waren, haben sich, obwohl sie selbst künstlerisch und literarisch so gut wie nicht in Erscheinung traten, durch den Grafen Friedrich Ludwig Karl, der von 1745 bis 1818 lebte, einen würdigen Platz in der Kunst- und Literaturgeschichte der Mark verdient. Dieser Finckenstein nämlich, den Friedrich der Große im Verlauf des sogenannten Müller-Arnold-Prozesses 1779 ungerechtfertigt als Regierungspräsident der Neumark abgesetzt hatte und der auch unter Friedrichs Nachfolgern nicht nach anderen Ämtern strebte, sondern sich seinen Gütern und seinen künstlerischen Interessen widmete, betätigte sich nicht nur als Parkgestalter und Übersetzer altgriechischer Lyrik, sondern auch als Mäzen.
Ludwig Tieck, der mit seiner Familie von der Schriftstellerei nicht hätte leben können, brachte er für mehr als fünfzehn Jahre in Ziebingen unter. Er war, wie Tieck, von den neu entdeckten Minnesängern und dem Nibelungenlied begeistert, liebte die Literatur des 18. Jahrhunderts, ließ für den bei Kunersdorf gefallenen Ewald von Kleist , dessen "Frühling" er in einer kritischen Ausgabe herausgab, in seinem herrlichen Landschaftspark eine Ehrenpforte errichten. Er holte den begabten Architekten Hans-Christian Genelli nach Madlitz, der für ihn Gartenarchitektur entwarf und Schloß Ziebingen in frühklassizistischem Stil umbaute. Der als Schütz-Lacrimas bekannte romantische Dichter Wilhelm von Schütz heiratete eine seiner Töchter. Er komponierte, musizierte mit seinen zehn Kindern, sang Gluck und Palestrina, und da so viel Kultur und so viele Berühmtheiten andere Berühmtheiten, wie die Humboldts, Schleiermacher, den Philosophen Solger, den Maler Runge und den jungen Eichendorff anzogen, wurden die Finckensteinschen Besitzungen zu einer Art Zentrum der Berliner Romantik - und natürlich auch zum Gegenstand des Klatsches bis nach Jena und Weimar hin.
Denn die gebildeten und kunstliebenden Töchter und Söhne des für alles Kulturelle aufgeschlossene, politisch aber konservativen Grafen, die mit den Ideen der bürgerlichen Intelligenz aufwuchsen, gerieten bei Liebschaften oft in Konflikt mit den Standespflichten, besonders die älteren von ihnen, wie der Sohn und Erbe, Graf Karl, der Rahel Levin liebte und sie enttäuschen mußte, wie Caroline, die ohne Heirat mit Genelli lebte, und Henriette, die ihren geliebten, aber leider schon verheirateten Ludwig Tieck nie verließ.
Etwas von dem Zauber dieser Jahre, die mit dem Tod des Grafen, 1818, zu Ende gingen, ist in Tiecks Erzählungen und in den Gesprächen des "Phantasus" aufbewahrt worden. In Ziebingen, das östlich der Oder liegt, also heute zu Polen gehört und Cybinka heißt, sind Erinnerungen daran nicht mehr zu finden; denn der Schloßbau Genellis, in dessen rundgeformtem Theater Tieck, der gern als Vorleser glänzte, alle Zuhörer entzückte, ist nach einem Brand in den siebziger Jahren nicht mehr vorhanden.
Im Zaubergarten von Schloss Alt Madlitz
(Artikel aus dem Tagesspiegel)
copy Sammlung Duncker